Über Erfolg und Versagen

Januar 18, 2008

You wont always get what you need

 

Sie haben sicher schon die Artikel und Bücher strahlender Grinsemänner und –Frauen gelesen, die „Erfolg“ haben, sei es monetär, mediell oder beides. Sie propagieren den „jeder kann es schaffen wenn er nur will/sich an mein System hält/sich ausreichend verändert/die „richtige“ psychische Einstellung hat“ Mythos. Wollen wir es einmal mit der anderen Seite versuchen?

Ich habe verschiedene Anläufe hinter mir, mich in eine Firma zu integrieren. Ich bin mit meiner Firma pleite gegangen. Ich lebe in einer winzigen Wohnung ohne Küche und Staubsauger. Ich habe kein Geld, um mir all die verlockenden, blinkenden und piependen „Notwendigkeiten“ aus der Werbung zu kaufen. Ich fahre nie in den Urlaub. Ich habe kein Auto. Ich klemme mich hinter meinen Computer, und starte gerade mein zweites Unternehmen – aus dem Nichts. Ich weigere mich, die „Realität“ anzuerkennen, und diesen Traum endlich aufzugeben, statt dessen einen Angestelltenjob anzunehmen, um mir endlich die „Freiheit“ des Konsums zu leisten. Ich bin, kurz gesagt, ein Versager. Ein Looser. Eine der mal tragischen, mal nichtigen, mal komischen Figuren aus Büchern und Filmen. Jemand, der keiner sein will. Ich bin in bester Gesellschaft.

Ich muss nicht über Van Gogh reden, der Zeit seines Lebens ein seelisch zerfressener armer Schlucker war, über Baudelaire, den französischen Dichter, der sein ganzes Erbe in einem Jahr verprasste und kurz vor der Entmündigung stand, über Gaguin, der siphylliskrank und bettelarm in Tahiti verstarb. Arm und ein Träumer zu sein macht einen nicht zum Van Gogh. Trotzdem ist es so, dass die meisten genialen Musiker, Maler, Schauspieler und auch Unternehmer niemals einem breiten Publikum vorgestellt werden werden. Erfolg in einer bestimmten Sparte zu haben ist erstens Definitionssache, zweitens eine Frage von Arbeit und Talent, und drittens eine Frage von Beziehungen, Glück und der Tatsache, dass man zur rechten Zeit am rechten Ort ist.

Wußten sie, dass die Mehrheit der Amerikaner bereit sind, in ihrem Land Obdachlosigkeit, schwere Armut und eine hohe Kindersterblichkeit in Kauf zu nehmen, für das wage Gefühl, dass auch sie oder ihre Nachkommen irgendwann einmal zu den reichsten 10 % im Land gehören? Die Chancen dafür sind verschwindend gering. Trotzdem leben sie lieber in diesem unrealistischen Traum, als sich die „Chance“ zugunsten besserer Sozialprogramme nehmen zu lassen. Und da sagt man, ich wäre ein unrealistischer Träumer.

Ray Bradbury meint in seinem empfehlenswerten Buch Zen und die Kunst des Schreibens, dass der Sinn des Schreibens nicht die hohe Verkaufszahl ist, und auch nicht die Anerkennung durch die snobistische Kritik. Er sieht den Sinn des Schreibens an den leuchtenden Augen eines Lesers, der ihm zu seiner Geschichte gratuliert, und sagt, wie sehr sie ihm gefallen hat. Übertragen auf ein Unternehmen bedeutet das, ein Produkt anzubieten, das erschwinglich ist, schön und brauchbar,haltbar – kurz, was den Kunden Freude macht.

Das schöne an Kunst ist die grenzenlose Freiheit des Ausdrucks. Diese gebiert auch manche Absonderlichkeit. Aber es nennt sich deswegen Freiheit, weil jeder das dazu beisteuert, was er will. Es macht die Kunst nicht elitärer, aber interessanter. Ob man sich in eine kommerzielle Richtung entwickeln möchte oder nicht, bleibt jedem selbst überlassen. Wie frei der eigene Ausdruck sein soll, ebenfalls. Je freier, desto kälter weht der Gegenwind, besonders wenn man auf ein schönes Backup wie ein Diplom verzichtet. Dies kann man auch auf die Wirtschaft übertragen. Erfolgreiche Unternehmer  kommen nicht nur aus einer Elite Universität.  Im Gegenteil!