Er war ein erfolgreicher Marketingchef, hatte ein gutes Gehalt und Rücklagen, und so gar keinen Grund, sich mit dem Leben der sozial Schwachen (aka Menschen mit wenig Geld) auseinanderzusetzen. Das hätte so weitergehen können, und Markus Breitscheidel hätte ein Leben gelebt, wie viele andere Wohlhabende auch, sicher aufgehoben in einer ganz eigenen Realitätsblase, fernab von der harten Realität. Doch dann lernte er Günther Walraff kennen, und beschloss einen ganz anderen Weg einzuschlagen. Sein erstes Buch war ein Enthüllungsbericht über die Zustände in deutschen Altenheimen (Abgezockt und totgepflegt), sein Zweites, Arm durch Arbeit, schildert das Leben als HartzIV Empfänger. Dafür gab Breitscheidel seine gesamte Altersrücklage auf. Dann wurde er, wie Millionen anderer auch, Leihsklave der Arbeitsämter. Dabei erfuhr er am eigenen Leib die Praktiken der wahren Sozialschmarotzer in diesem Land: Firmen, die ganz nebenher eine Arbeitsvermittlung betreiben, die die verzweifelten Arbeitssuchenden an die andere eigene Firma verleiht, dafür 2000 Euro Vermittlungsprämie kassiert und die Arbeitnehmer nach drei Monaten wieder auf die Straße setzt – so lange muss ein Arbeitnehmer nämlich in einer Firma beschäftigt sein, damit die Prämie ausgeschüttet wird. Breitscheidel arbeitete monatelang für Löhne von 2,50 oder 3,25 die Stunde, von denen er auch noch Fahrtkosten bestreiten musste, er erlebte die Geschäftemacherei mit Leiharbeitern und die Gleichgültigkeit und Borniertheit der ARGE Beamten. Ein lesenswertes Buch für Diejenigen, die sich nicht davor Fürchten, einen Blick auf die Konsequenzen der derzeitigen Wirtschaftsideologie und Politik zu werfen. HartzIV kann jeden treffen.

Ein wenig Politik

Februar 13, 2008

Wie weit es in unserem „Sozialstaat“ und unsere „Gesellschaft“ bei der Aussortierung „unbrauchbarer“ Menschen gehen kann, können wir an dieser Geschichte sehen. Ein 58 Jähriger starb, weil er arbeitslos, allein und arm war. Nach einer Scheidung und dem Kontaktverlust zu seiner Tochter verlor er auch noch seine Arbeit. Als das Arbeitslosengeld nicht mehr gezahlt wurde gab er auf. Er suchte sich einen Platz zum Sterben. Auf einem Hochsitz hungerte er zu Tode. Diejenigen, die seinen Körper fanden, entdeckten ein Tagebuch bei ihm, in dem er sein Sterben dokumentierte. Artikel hier. Vielleicht versuchen wir einmal angesichts dieser Tragödie für 5 Minuten den „modernen“ Zynismus zu vergessen, dass wir ja ach so „cool“ sind, und versuchen diese Geschichte an uns heran zu lassen, ganz nah. Wie es ist, allein in der Kälte, hungrig, verzweifelt, sterbend, ungesucht, unvermisst. Wie dunkel Verzweiflung wirklich sein kann. Wie es ist sich so sehr als Ausschuß zu fühlen, dass man jeden Lebenswillen verliert. Wer immer dieser Mann war, niemand hat einen solchen Tod verdient. Währenddessen betreibt die Bildzeitung ihre Kampagne gegen die Schwächsten der Gesellschaft munter – und ungestraft – weiter. Arbeitslosigkeit kann jeden treffen, morgen, übermorgen oder in einem Jahr. Wollen wir es wirklich zulassen, dass diejenigen die alles verlieren, Vermögen, Ansehen, Status, sich auch noch dafür schämen, auch noch als Feindbild für die Hofhunde Springers dienen? Nachdenken wäre hier angesagt, und auch Mitgefühl, ebenso wie das Bewußtsein, dass es eben nicht nur den anderen passiert.

Informationen und kritische Texte zum Thema gibt es hier.

Und über die Bildzeitung kann man sich hier informieren